Veränderungen des Ventilatorenbaus im Zeichen der Digitalisierung

Die Veränderungen durch die zunehmende Digitalisierung sind  immens – und zwar sowohl aus ökonomischer als auch sozialer Perspektive: Informationstechnologien, digitale Geschäftsmodelle, Maschinen mit künstlicher Intelligenz und neue Medien wandeln Märkte, Branchen und damit die Anforderungen an die eigene Geschäftsphilosophie.

Man kann die Entwicklung der vergangenen dreißig Jahre grob unterteilen in ein Zeitalter der Hardware, ein Zeitalter des Engineerings und ein beginnendes Zeitalter vernetzter Systeme, bei dem ein digitales Modell im Zentrum der Entwicklung stehen wird. Die Vorteile der digitalen Transformation liegen beispielsweise in der Produktionssimulation, im Maintenance, der Flexibilisierung, der Modularisierung usw.

Dafür bedarf es eines digitalen Modells. Man spricht hier vom digitalen Zwilling (Digital Twin), der für eine Maschine vorhanden sein muss. Der digitale Zwilling ist das virtuelle Abbild eines Produktes, das sein physisches Pendant ein Produktleben lang begleitet. D.h. es muss mit der realen Maschine per Datenaustausch verbunden sein. Dafür braucht es auch integrierte Informationssysteme, die einen durchgängigen Austausch von Informationen von der Planung über die Produktion, der Auftragsabwicklung bis hinunter in die Maschinenebene zulassen. Bei einem derartigen durchgängigen System spricht man von einem Product Lifecycle Management System (PLM) das sinnvollerweise von der Produktentwicklung, der digitalen Fabrik für die Produktionsplanung, dem ERP-System für die unternehmerischen Belange, dem Manufacturing Execution System (MES) für die Produktion bis hin zu den Informationen aus dem Feld, also wenn das Produkt bei Kunden im Einsatz ist, alle Informationen enthält.

Realer und digitaler Zwilling tauschen dann Statusdaten aus, die Sensoren permanent erfassen. Unternehmen können so Produktfehler in der Entwicklungsphase früher erkennen – und ihre Anlagen und Bauteile selbst nach der Auslieferung mittels IoT-basierter Rückmeldungen kontrollieren.

Doch all diese aktuell angesagten Entwicklungen setzen voraus, dass sich der Ventilatorbauer zumindest einmal vom Produkt-Lieferanten zum System-Lieferanten entwickelt hat. Denn erst für das komplette Ventilatorsystem (CFS Complete Fan System), also Ventilator plus Motor plus Regelung (idealerweise mittels Frequenzumrichter) und den erforderlichen Sensoren, gibt die Entwicklung hin zu erweiterten Geschäftsmodellen, wie z.B. dem IoT-basierten Predictive Maintenance des CFS einen Sinn.

Die digitale Herausforderung, speziell für mittelständische Firmen im Maschinen- und Anlagenbau.

Die Digitalisierung, das Internet der Dinge (IoT) und alles rund um das Thema Industrie 4.0 eröffnet neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle aber auch gleichzeitig enorme Herausforderungen speziell für mittelständische Firmen im Maschinen- und Anlagenbau.

Themen wie Product- and Document Lifecycle Management (PDM/PLM), Digital Twins (Digitale Zwillinge), Künstliche Intelligenz (KI), Edge und Cloud Computing, Industriel Internet of Things (IIoT), Predictive Maintenance, um nur einige Themen zu nennen, werden einen großen Teil der Geschäftsgrundlagen verändern.

Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, braucht es integrierte Informationssysteme, die einen durchgängigen Austausch von Informationen für die Planung, Entwicklung, Konstruktion und Produktion über die  Auftragsabwicklung bis hinunter in die Maschinenebene zulassen.

Bei dem Thema Effizienz bietet die virtuelle Darstellung von Maschinen oder Anlagen als Abbild auf einer digitalen Plattform den Unternehmen über den gesamten Lebenszyklus viele Vorteile. Voraussetzung dabei ist, dass der digitale Zwilling und die reale Maschine bzw. Anlage dauerhaft miteinander verbunden ist. So fließen Betriebsdaten aus dem realen Einsatz der Maschinen und Anlagen in die Beurteilung und Weiterentwicklung der Produkte ein. D.h. die Daten aus dem jeweils führenden System müssen also dem Product Lifecycle Management (PLM) für die Produktentwicklung, der digitalen Fabrik für die Produktionsplanung, dem ERP-System für die unternehmerischen Belange bis hin zu den Informationen aus dem Feld, also wenn das Produkt beim Kunden im Einsatz ist. Realer und digitaler Zwilling tauschen mittels IIoT Daten aus, die Sensoren permanent erfassen. So können Unternehmen aus Schwächen ihrer Produkte im realen Einsatz Erkenntnisse gewinnen und diese bereits in die Entwicklungsphase einfließen lassen.

Zurück zum Mittelstand.

Am Beispiel eines fiktiven mittelständischen Maschinebau-Unternehmen für Prozess-Ventilatoren möchte ich die Schwierigkeiten, die sich bei der Umsetzung vorgenannter Szenarien auftun, und die nur zu einem Bruchteil einen technischen Hintergrund aufweisen, kurz erläutern.

Der leider immer noch vorwiegende Ist-Zustand läuft wie folgt ab.

Soll eine neue Anlage in der u.a. Prozess-Ventilatoren zum Einsatz kommen gebaut werden, erteilt der zukünftige Betreiber einen Planungsauftrag an einen Anlagenplaner. Dieser erstellt die Anlagenplanung und erstellt Spezifikationen zur Ausschreibung der Anlage. Da hier das Rad nicht neu erfunden wird, werden viele Bausteine der Spezifikationen aus dem Fundus genommen. Was aber auch gleichzeitig bedeutet nicht mehr den neuesten Erkenntnissen zu entsprechen. Die in der Ausschreibung berücksichtigten Anlagenbauer halten sich in ihren Offerten an den Ausschreibungstext und den hier aufgeführten Spezifikationen. Ist der Auftrag dann an einen Anlagenbauer vergeben, wird dieser dann in einzelne Lose aufgeteilt und die Komponenten an Zulieferer, wie z.B. dem Prozess-Ventilatoren Lieferanten vergeben. Die vom Anlagenplaner vorgegebenen Spezifikationen werden als Auftragsbestandsgrundlage weitergereicht.

Was bedeutet das z.B. für das Ventilator-System des Prozess-Ventilators?  Kurz in Erinnerung zu rufen. Ein Ventilator-System besteht aus dem eigentlichen Ventilator, dem Antrieb und der Regelung. Zusätzlich meist und sinnvollerweise noch aus den Schalldämmmaßnahmen.

Vorausgesetzt ein Ventilator-Lieferant hätte bereits die qualitativen, personellen, technischen und kommerziellen Voraussetzungen und die Digitalisierung seiner Geschäftsgrundlage im eingangs erwähnten Sinne umgesetzt, müssten folgende Kundenauftragsvoraussetzungen erfüllt sein.

  1. Der Kundenauftrag sieht die Lieferung eines kompletten Ventilator-Systems  inklusive aller erforderlichen intelligenten Sensoren und den SaaS-Diensten zu deren Auswertung vor.

Nur so kann ein digitaler Zwilling eine Voraussetzung für eine IIoT-Anbindung etc. geschaffen werden.

In der Realität werden häufig Komponenten wie Antriebsmotor, Regelung etc. vom Anlagenbauer separat eingekauft und beigestellt. Liefert dann der Ventilator-Lieferant (als Komponenten-Lieferant) dem Anlagenbauer auch nur für seinen Part die Daten und erstellt der Anlagenbauer dann den digitalen Zwilling?

  1. Die Auftrags-Spezifikationen lassen dem Lieferanten die freie Wahl der erforderlichen Komponenten zur Umsetzung eines derart digitalen Systems zu. D.h. die von ihm vertraglich in sein Gesamtkonzept eingebundenen Lieferanten von z.B. Antriebsmotoren, Frequenzumrichter aber auch Smart-Sensoren inkl. der SaaS Dienste und der entsprechenden vertraglichen Einigung zur Multi-Cloud-Nutzung werden nicht durch Spezifikationsvorgaben ausgehebelt.

In der Realität werden häufig aus der Historie heraus (Spezifikationen aus der Schublade) Komponenten, Überwachungseinrichtungen etc. vorgeschrieben, die nicht in ein derartiges digitales Konzept passen.

Was heißt dies für die Praxis. Komponenten-Lieferanten z.B. für Motor und Frequenzumrichter bieten bereits PLM-Software Lösungen an und stellen auf den von Ihnen ausgewählten Cloud-Plattformen Digitale Zwillinge Ihrer Produkte zur Verfügung. Hier verlangt keiner die Produkte der Schnittstellengeometrie anzupassen. Der Ventilator-Lieferant muss aber bei vielen einzelnen Komponenten sein Produkt an die gewählten Komponenten anpassen (Beispiel Motor-, Lagerkonsole, Kupplungsbohrung für die Antriebsseite etc.). Würde er also dem Anlagenbauer genauso auf einer Cloud-Plattform für den nackten Ventilator den digitalen Zwilling zur Verfügung stellen wollen, ist dies so ohne weiteres nicht möglich.

Fazit:

Bevor mittelständische Maschinenbauer, wie an dem Beispiel Ventilatorenbauer aufgezeigt, sich mit der Umsetzung der Digitalisierung ihrer Geschäftsgrundlage befassen, sollten sie erst einmal den Weg zum System-Lieferanten beschreiten. Denn nur in sich abgeschlossene Maschinen- bzw. Anlagensysteme schöpfen den Vorteil  aus der Digitalisierung und eröffnen ganz neue Geschäftsmodelle wie z.B. einem IoT-basiertem Predictive Maintenance des Complete Fan Systems (CFS).

Ventilatorenbauer und elektrische Antriebstechnik vereint der Systemgedanke

Ausgangsbasis, Antriebskraft und Zielsetzung der EU-Richtlinien ist die Forderung nach Energieeffizienz.

Sowohl die Verordnung (EU) Nr. 327/2011 zur Durchführung der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Ventilatoren, die durch Motoren mit einer elektrischen Eingangsleistung zwischen 125 W und 500 kW angetrieben werden, als auch die auf die elektrischen Antriebe bezogene EN 50598 kommen zu der Einsicht, dass nicht Komponenten Energie einsparen sondern komplette Systeme in den tatsächlichen Anwendungen.

So wurden erstmals in der EU-Verordnung Nr. 327/2011 bei der Mindesteffizienz-Anforderung an Ventilatoren die Wirkungsgrad- bzw. Verlustbetrachtungen nicht nur für das Produkt Ventilator, sondern für das Gesamtsystem Ventilator, inkl. Gehäuse, Moment übertragende Komponenten, Antriebsmotor und Regelung deklariert. Bei der Regelung werden hier allerdings nicht so deutlich wie interessanterweise bei der Antriebstechnik verschiedene Lastpunkte festgeschrieben. Dies kann bei der reinen Betrachtung im Auslegungspunkt zu der kuriosen Situation führen, dass hier ein im Auslegungspunkt offenes Regelorgan Klappe bzw. Drallregler weniger Verluste aufweist als ein CDM (Complete Drive Module = Frequenzumrichter). Was ganz anders aussieht, wenn mehrere Lastfälle betrachtet werden.

Bei der Norm zur Ökodesignanforderung für elektrische Antriebssysteme im Niederspannungsbereich EN 50598 hingegen wird die Verlustbestimmung sowohl der Antriebskomponenten Motor, als auch CDM in 8 verschiedenen Auslastungspunkten vorgegeben. Diese Einzelverluste werden dann zu den Power-Drive-System- / Motorensystemverlusten addiert. Erwähnt wird hier bereits auch der Energieeffizienindex (EEI) einer elektrisch angetriebenen Arbeitsmaschine. Wobei hier lediglich der Hinweis erfolgt, dass zur Ermittlung des EEI die Verluste des eingesetzten Motorsystems vorliegen müssen um dann die Verluste der Arbeitsmaschine inklusiv der Moment übertragenden Module hinzu zu addieren.

Beides die Arbeitmaschine (in unserem Fall der Ventilator) und das Motorsystem (PDS) bilden das Erweiterte Produkt bzw. in unserem Fall das Ventilatorsystem. Obgleich ja gerne alle Abkürzungen aus den englischen Begriffen hergeleitet werden, habe ich für das Ventilatorsystem noch nichts passendes gefunden. Vorschlag nennen wir es doch einfach CFS (Complete Fan System).

Da aber der entscheidende Ansatz der Verlustvermeidung bei der Wahl des Regelkonzeptes zu den verfahrenstechnischen Anforderungen des Kundenprozesses bestimmt wird, sollte also auch logischerweise die konzeptionelle Gestaltung, Lieferung und damit Verantwortung des erweiterten Produktes Ventilatorsystem in einer Hand bei dem Ventilatorlieferanten angesiedelt sein. Nur er kann bei den vom Verfahrentechniker vorgegebenen Lastpunkten einer Anlage die mit der Ventilatorkennlinie und dem entsprechend gewählten Regelungskonzept sich ergebenden Arbeitspunkte und damit den Energieeffizienzindex (EEI) des kompletten Ventilatorsystems (CFS) bestimmen. Eine strickte Trennung von Maschinenbau und Antriebstechnik muss dem Energieeffizienzgedanken weichen. Deshalb plädiere ich dafür, das CFS als Einheit zu betrachten und die Konzeptionierung und Lieferung in einer Hand zu belassen.