Schritt 5 – Von der MindSphere Applikation „Analyze MyDrives“ zur App „Analyze My Complete Fan Systems“.

Bildquelle: siemens.com/Herr Leipold

Interview zur MindSphere Applikation „Analyze MyDrives“

Das Interview wurde geführt zwischen

Herrn Michael Leipold                                                                                                         Herrn Horst Benderoth                                                                                    Siemens AG                                                                                                                           HBC Horst Benderoth Consulting
Digital Industries                                                                                                                  D-51580 Reichshof-Wiehl
Motion Control
General Motion Control
DI MC GMC
D-90439 Nürnberg

Herr Benderoth                                                                                                                                                                      Sehr geehrter Herr Leipold, ich übe beratende Begleitung bei Digitalisierungs-Projekten auf dem Weg zur Plattformökonomie sowohl durch Berichte auf meinem Blog als auch auf Wunsch direkt bei Klein- und Mittelständlern aus dem Bereich des Ventilatorenbaus aus. Im Zuge der, in meinem ersten Bericht, aufgezeigten 8 Schritte wird deutlich, dass die Digitalisierung auch in Traditionsbranchen, wie dem Maschinenbau Veränderungen, die zu ganz neuen Geschäftsmodellen führen, hervorruft. Gute Geschäfte macht in Zukunft nur, wer dem Kunden einen echten Mehrwert bieten kann. Der Ventilatorenbau ist servicesorientiert und sollte das Spezialwissen, welches er über Jahre hinweg aufgebaut hat nutzen, um sein Serviceangebot durch das Potenzial, dass die IoT-Techniken, Data Analytics etc. bieten, in Richtung Predictive Maintenance seiner Ventilatorsysteme zu entwickeln. Erste Schritte in der Daten-Visualisierung und Analyse können z.B. für den Antriebsstrang (Motor und Frequenzumrichter) durch vorkonfigurierte Werkzeuge von Plattformtechnologie-Anbietern genutzt werden. Womit wir beim Thema wären.

Herr Benderoth                                                                                                                                                       Wenn ich z.B. auf der Siemens homepage nach Produkten zur Erfassung, Überwachung und Analyse von Schwinggrößen einer Maschine suche, stoße ich auf das Condition Monitoring System SIPLUS CMS1200 SM 1281. Sehe ich mir dies näher an, ist hier von der Überwachung durch analoge Sensortechnik für die Schwingungsaufnehmer und einem digitalen Eingang für die Drehzahlerfassung die Rede. Dies ist aber doch meiner Meinung nach die klassische Anbindung und Installation um die Ergebnisse vor Ort entweder auf einem Panel bzw. im Leitrechner einer Anlage zu betrachten. Andererseits, wenn ich an eine IoT-Anbindung, Daten in der MindSphere etc. denke, ist von MindConnect und MindSphere Applikationen die Rede. Können Sie mir die beiden Begriffe oder Produktfamilien erläutern?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Sie sprechen hier verschiedene sehr wichtige Aspekte an: Einerseits sollte es tatsächlich zu allererst immer darum gehen, Wissen über den Antriebsstrang zu ermitteln, um damit eine valide Basis für Optimierungen zu haben. Die richtigen Antworten auf die Fragen des Anlagenbetreibers zu finden, ist der wahre Mehrwert, der auch neuen serviceorientierten Geschäftsmodellen zugrunde liegt.

Nun ist die entscheidende Frage, in welcher Genauigkeit und Latenz sollen Daten erfasst werden und sollen diese Informationen nur innerhalb einer oder von vielen verteilten Anlagen zur Verfügung stehen.

Je höher die Abtastraten, je mehr verschiedene Messgrößen, aus dedizierten Sensoren durch komplexe Algorithmen in einer Anlage sehr schnell zur Verfügung stehen müssen, desto eher sprechen wir über das typische Einsatzgebiet eines Condition Monitoring Systems wie dem genannten SIPLUS CMS.

Wenn jedoch ohnehin vorhandene Daten und Informationen nicht nur aus einer Maschine, sondern aus vielen Maschinen in weltweit verteilten Anlagen und Fabriken zu einem Gesamtbild zusammengeführt, analysiert und miteinander verglichen werden sollen, um daraus Optimierungsbedarfe abzuleiten, dann bieten sich cloudbasierte Lösungen geradezu an.

Die von Ihnen genannten Produktgruppen unterstützen unsere Zielgruppen – Maschinen- und Anlagenbauer sowie die Betreiber – ihre jeweiligen Ziele zu erreichen: mögliche Anomalien im Betrieb frühzeitig zu erkennen und darzustellen. Mit MindConnect steht ein standardisiertes Portfolio zur Verfügung Daten und Betriebszustände aus SIEMENS Antriebs- und Automatisierungsprodukten auszulesen und in die MindSphere – das offene IoT Betriebssystem – zu laden.

Dort können die Daten dann mithilfe der MindSphere Applikationen analysiert und visualisiert werden: Analyze MyDrives ist unsere Monitoring-App zur Überwachung des Antriebsstrangs.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Zusätzliche Sensoren sind also verzichtbar?  Nun gibt es aber Anlagenbetreiber (Endkunden) die immer noch in Ihren Spezifikationen analoge Sensoren für z.B. die Aufnahme der Lagerschwingungen, Lagertemperaturen, Drehzahl etc. vorsehen.

Herr Leipold                                                                                                                                                        Unser Ansatz versucht so viele der ohnehin vorhandenen transienten Daten aus dem Umrichtersystem zu verwenden wie möglich. So lassen sich aus Stromwerten in bestimmten Anwendungsfällen sogar Rückschlüsse auf Vibrationen im Antriebsstrang ableiten. Wir wollen Anlagenbetreiber und Systemintegratoren in die Lage versetzen, auch in Bestandsanlagen „minimalinvasiv“ an diese Daten zu kommen, ohne Änderungen bei Hardware und Software vornehmen zu müssen, die dann unter Umständen aufwändige Neuzertifizierungen der Maschinen erforderlich machen.

Sollte die Verwendung externer Sensoren sich aber nicht vermeiden lassen, um etwa die Temperatur des Getriebeöls aufzunehmen, so können unsere Kunden stets auf unser umfassendes Portfolio vertrauen, das solche Sensoren umfasst und deren nahtlose Einbindung in das Gesamtsystem ermöglicht, womit diese Informationen wiederum an die MindSphere übertragen werden wo sie dann für Analyse und Visualisierung zur Verfügung stehen.

Herr Benderoth                                                                                                                                                        Bleiben wir einmal bei dem Thema Datensammlung und –aufbereitung, also der digitalen Überwachung des kompletten Antriebsstrangs.  Wie kommen die Nutzer denn nun an die Daten aus dem Umrichtersystem, für die sie sich interessieren?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Bei drehzahlveränderlichen Antrieben verfügen Umrichter über viele hochauflösende Daten und Informationen die für die Bewegungssteuerung nötig sind. Hier setzen wir an und ermöglichen den Zugriff auf nahezu alle relevanten Antriebsparameter. Unser IoT Gateway SINAMICS CONNECT 300 bindet SIEMENS Umrichter der V und G Familie schnell und einfach an die MindSphere an. Dabei schlägt es die wichtigsten Informationen vor (Strom, Drehmoment, Geschwindigkeit u.ä.) oder überlässt dem Nutzer die freie Konfiguration der zu sammelnden Werte.

Sind die Daten in der MindSphere gespeichert, stehen sie zur Auswertung mit beliebigen Applikationen zur Verfügung. Dabei kann der Nutzer aus einer Vielzahl von Programmen wählen, die von SIEMENS oder unseren Partnern zur Verfügung gestellt werden.

Herr Benderoth                                                                                                                                            Lassen Sie mich hier noch einmal hinsichtlich möglicher Geschäftsmodelle nachhaken. Wenn ich als Anlagenbauer den Antriebsstrang ausgestattet habe, muss ich dann dem Betreiber noch weitere Module liefern? Wie skalierbar ist die beschriebene Lösung? Lassen Sie mich das anhand des Beispiels einer Biomasse-Verbrennungsanlage mit 2 Linien verdeutlichen: je Linie 1 Primärluft-, 1 Sekundärluftgebläse, 1 Rauchgasrezirkulationsgebläse und einen Saugzugventilator. Also je Verbrennungslinie 4 in Summe 8 Ventilatoren. Wie lassen sich diese Antriebskomponenten der verschiedenen Linien und möglicherweise verschiedener Anlagen zusammenfassen?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Die MindConnect Produkte sind Bestandteil unseres Totally Integrated Automation Lösungsportfolios, dadurch sind durchgängige Kommunikation und Skalierbarkeit sichergestellt. Egal welche Antriebsstrangkomponenten sie einbinden wollen, von der Schalttechnik, Energieabzweigen über Umrichter und Steuerungen: lassen sich über MindConnect an die Cloud anbinden, egal wie viele Antriebe sie auswerten wollen.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Wenn wir so also die reinen Hardware-Lieferungsvoraussetzungen erfüllt haben und einmal voraussetzen, dass sich der Ventilatorenbauer für die IoT-Plattform MindSphere entschieden hat, und er gemäß meinem Blog-Bericht „Schritt 4 – Vorgehensweise für den Einstieg auf der IoT-Plattform MindSphere“ für die Zugänge IoT Value Plan, IoT Developer Plan und IoT Operater Plan gesorgt hat, kommt er wie an Ihre MindSphere App „Analyze MyDrives“ und welche Kosten sind hiermit verbunden?

Herr Leipold 
Die Anbindung der Antriebsstrangkomponenten erfolgt über das MindConnect Portfolio, das sich wiederum nach den Erfordernissen des Anwendungsfalls richtet. Somit ist eine skalierbare Lösung möglich vom Funktionsbaustein in der SIMATIC Steuerung bis zum performanten IoT Gateway MindConnect nano oder auch SINAMICS CONNECT 300. Letzteres ist für weniger als 500 Euro erhältlich und bindet bis zu 8 SINAMICS Antriebe gleichzeitig an.

Für den MindSphere Zugang fallen jährliche Kosten an, die sich wiederum nach den jeweils zugrundeliegenden Mengengerüsten richten. Ab nur 4000 Euro jährlich können Sie so Daten in der MindSphere speichern und auswerten.

Wenn der Anwender dann auf Applikationen zur Auswertung seiner Daten zugreifen will, fallen ebenso jährliche Lizenzgebühren an. Eine Lizenz Analyze MyDrives schlägt mit 580 Euro jährlich zu Buche.

Wenn man bedenkt, dass sie bereits mit der Vermeidung von rund 4,5 Manntagen Serviceeinsätzen diese Kosten kompensiert haben, ganz abgesehen von der monetären Wirkungen möglicher Optimierungen, ist das ein einfacher und schneller ROI.

Herr Benderoth                                                                                                                                          Welchen Leistungsumfang sieht diese App vor?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Analyze MyDrives trägt den TIA-Gedanken in die MindSphere! Mit Analyze MyDrives visualisieren und überwachen Sie alle Daten am gesamten Antriebsstrang, egal wie Sie die Daten in Ihren Tenant laden. Umrichter, Motoren, Steuerungen, Sensoren oder Schaltgeräte, die mitttels des umfangreichen Standard MindConnect Portfolios an die MindSphere angebunden sind, alle wird Analyze MyDrives für Sie überwachen und auswerten.

  • Benachrichtigungsfunktion weiter verbessert: Einfacher IFTTT Regelautomat
  • Frei konfigurierbare Trendanalyse: lineare und polynominale Trendfunktion bis 5. Ordnung, mit Korrelationsmaß. Verfügbar für Zeitreihen- und Punktwolkendiagramme, die noch aussagekräftigere bi-variate grafische Korrelationsanalysen erlauben.
  • Dashboard zur direkten Darstellung aller Antriebsstrangkomponenten und deren Statusinformationen auf einen Blick. Umfassende Integration der SINAMICS G und S Familien und deren Betriebszuständen.

Beispieldiagramm Analyze MyDrives: Zeitreihendiagramm Überwachung der Ventilatordrehzahl mit Schwellwerten und linearer Trendfunktion (Datenübertragung mittels SINAMICS CONNECT 300)

Beispieldiagramm Analyze MyDrives: Punktewolkendiagramm mit frei wählbaren Variablen (hier Ventilatordrehzahl und Temperatur), mit polynominaler Trendfunktion und Korrelationseffizienten sowie Schwellenwertüberwachung.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Wenn ich einen eigenen, geschützten  Bereich in der MindSphere habe und Ihre App „Analyze MyDrives“ a) um die Daten z.B. der Lagerüberwachung des Ventilators, aber auch der Informationen aus meinem ERP-System, wie z.B. welcher Kunde, welche Anlage, welche Maschinen-Nr., welche Auftrags-Nr. etc…. erweitern möchte, also wenn Sie so wollen aus der App „Analyze MyDrives“ eine App „Analyze My Complete Fan Systems“ erstellen will um diese dann b) in dem MindSphere App-Store meinen Kunden zur Verfügung zu stellen, stellt sich die Frage – ist dies möglich? Wenn ja, was ist hierzu mit welchem Kostenaufwand notwendig?

Herr Leipold                                                                                                                                                            Analyze MyDrives ist eine generalistische Applikation, die in vielen verschiedenen Industrieapplikationen zum Einsatz kommen kann, gerade weil sie so einfach zu konfigurieren ist, können verschiedenste Anwendungsfälle adressiert werden. Uns ist natürlich bewusst, dass bestimmte Fragestellungen viel besser durch spezielle Fach-Applikationen gelöst werden können. Hier kommt das Konzept der MindSphere als offener IoT Plattform voll zum Tragen, wenn Dritte eigene MindSphere Applikationen entwickeln umso ihre jeweilige Expertise verfügbar zu machen.

Ein schönes Beispiel dafür kommt aus Italien, dort hat ein Systemintegrator die Firma SOFTEAM für einen großen Anlagenbetreiber aus der Lebensmittelindustrie die Applikation PumpAnalyzer entwickelt (die namentliche Nähe zu unserer App ist reiner Zufall). Die nötigen Daten aus den vorhandenen SINAMICS Antrieben werden durch SINAMICS CONNECT 300 zur Verfügung gestellt.

Die offene und einfache Bereitstellung der nötigen Daten in der MindSphere hat dieses Vorgehen nicht nur unterstützt, sondern darüber hinaus das Geschäftsmodell des Systemintegrators SOFTEAM überhaupt erst ermöglicht.

Somit stehen jedem Ventilatorenbauer die gleichen Möglichkeiten offen, eigene digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und in den Markt zu bringen … nur der Produktname „Analyze My Complete Fan Systems“ erscheint mir ein wenig zu sperrig.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Nun, das soll auch sicherlich keine App-Bezeichnung sein, sondern lediglich aufzeigen, worum es geht. Ob eine derartige App dann „Analyze My CFS“ oder „Fan Analyzer“ etc. tituliert wird, ist dem jeweiligen Ventilatorenbauer, der eine derartige App dann umsetzt, überlassen.

Herr Leipold ich bedanke mich für das sehr aufschlussreiche Interview, möchte aber gerne noch darauf hinweisen, dass Sie Ihr Produkt auf der SPS 2019 präsentieren, und hier sicherlich allen Interessenten für weitere Fragen zur Verfügung stehen.

Beratende Begleitung bei Digitalisierungs-Projekten auf dem Weg zur Plattformökonomie für fertigende Klein- und Mittelständler aus dem Ventilatorenbau

Vorwort: Auszug aus VDMA Veröffentlichungen.

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Produktion, sie führt auch zu ganz neuen Geschäftsmodellen. Auch in Traditionsbranchen wie dem Maschinenbau wird die Plattformökonomie verankert. Erfolg ist aber nur möglich, wenn dieser Wandel im Unternehmen nicht als reines IT-Projekt gesehen wird. Die Plattformökonomie gehört auf die CEO Agenda und braucht echten Teamgeist, der Einzelkämpfer hat ausgedient.

Gute Geschäfte macht nur, wer dem Kunden echten Nutzen stiftet. Dieser Leitsatz gilt für die „old economy“ ebenso wie für die neue, zunehmend von Algorithmen gesteuerte Verbindung von Hersteller und Käufer. Auch die Betreiber von Plattformen im B2B-Geschäft müssen sich darauf fokussieren, die Bedürfnisse ihrer Nutzer möglichst umfassend und individuell zu erfüllen. Nur wenn der Plattformnutzer ein Angebot vorfindet, welches einen großen Teil der von ihm alltäglich benötigten Produkte und Dienstleistungen beinhaltet, bringt eine Plattform den Mehrwert, der eine Kundenbindung erzeugt. Das gilt für Amazon und Alibaba ebenso wie für industrielle Plattformen wie Siemens Mindsphere, PTC´s ThingWorx, ABB Ability, AXOOM oder adamos, sowie Microsoft Azure.

Unternehmen, die sich auf die Plattformökonomie einlassen, müssen sich weiterentwickeln: vom klassischen Produktanbieter zum Teil eines Wertschöpfungsnetzwerkes. Sie müssen über ihr traditionelles Produktportfolio hinaus einerseits Produkte und Dienstleistungen in Partnerschaft mit anderen anbieten, sich andererseits aber bewusst und offen dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb stellen. „Wenn wir Mehrwertdienste anbieten wollen, können wir unseren Kunden nicht nur unsere Maschinen anbieten, sondern müssen auch Maschinen und Dienstleistungen von anderen Marktteilnehmern anbieten. D.h. vom Produkt- zum Sytemlieferanten bis hin zum Plattformanbieter mit erweiterten Geschäftsmodellen, wie z.B. dem Predictiv Maintenance des angebotenen Systems.“

Die Wertschöpfung im B2B-Geschäft erfolgt immer stärker durch digitale Services. Der Maschinenbau kann Treiber der neuen Plattformökonomie sein – Voraussetzung ist aber, dass das Thema auf Vorstandsebene verankert wird.

Die Plattformlandschaft im deutschen Maschinen- und Anlagenbau befindet sich derzeit in einer frühen Phase ihres Lebenszyklus und ist dementsprechend massiv in Bewegung: Die Entwicklung ist von einer Vielzahl an Akteuren und Markteintritten, einer gro­ßen Dynamik in der Ausdifferenzierung des Leistungs­spektrums und einem entsprechend heterogenen An­gebot für potenzielle Nutzer geprägt.

 

Inhalt:   

  1. Plattformthema auf die CEO-Agenda setzen
  2. Strategische Ziele festlegen
  3. Relevante Anwendungsfälle definieren
  4. Realistische Bestandsaufnahme vornehmen
  5. Unternehmensumfeld beobachten
  6. Optionen und Szenarien entwickeln
  7. Kundenschnittstelle nicht aus der Hand geben
  8. Passende Kooperationspartner auswählen

 

In acht Schritten zur IoT-Strategie (Quelle: In Anlehnung an Roland Berger in Zusammenarbeit mit dem VDMA) 

1. Plattformthema auf die CEO-Agenda setzen.

IoT-Plattformen bieten Anbietern wie Nutzern umfassende Möglichkeiten und Chancen, haben perspektivisch enorme Auswirkungen auf die Erlös- und/oder Kostenposition und können damit einen entscheidenden Beitrag zur strategischen Positionierung eines Unternehmens im Wettbewerb und zu dessen unternehmerischem Erfolg leisten. Aus der Fülle potenzieller Optionen, der Dynamik der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Plattformökonomie und der Komplexität der Thematik ergeben sich zahlreiche Herausforderungen, aber auch Risiken. Wie jede Frage von großer strategischer Bedeutung erfordert eine IoT-Plattformstrategie die volle Aufmerksamkeit des Topmanagements, die Integration in die Unternehmensstrategie sowie die aktive Steuerung und Nachhaltung der Erfolgswirkung der definierten Aktivitäten durch die Geschäftsführung bzw. den Vorstand. Deswegen sollten entsprechende Entscheidungen nicht nur innerhalb der Digital- oder IT-Strategie verankert werden, sondern gehören zwingend auf die Geschäftsführungs- oder CEO-Agenda.

Begründung der Notwendigkeit zum Handeln:

Betrachtet man einmal die sich abzeichnenden drei charakteristischen Strategiepfade in dem Geschäftsmodell-Technologie-Portfolio, so werden die grundsätzlichen Veränderungen, denen heute die Unternehmen  mit klassischem Geschäft gegenüber stehen, deutlich.

Dabei erkennen wir zwei strategische Ansätze, wie der mittelständische Maschinenbauer von seiner Kernkompetenz dem physischen Produkt zum Plattform-Unternehmen wird.

A. Durch Wissen und Serviceorientierung zum Plattform-Unternehmen.               

Die Voraussetzungen sind zum Beispiel bei einem klassischen Maschinenbauer oder in der Fertigungsindustrie vorhanden. Hier dominiert ein service- und wissensorientiertes Vorgehen. Man hat über Jahre hinweg ein Spezialwissen aufgebaut, welches für den Marktvorsprung essenziell ist. Wird dieses Wissen beispielsweise durch Data Analytics,  Machine  Learning  und         Quelle:Von Webteam UNITY – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,            künstliche  Intelligenz genutzt und   angewandt,              https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68073586         können enorme Potenziale gehoben werden.

Das Know-how, um die Anforderungen eines Kunden zu erfüllen, haben die Unternehmen. Damit kann der Maschinenbauer auch in der Plattformökonomie der Treiber des Geschehens sein.

B. Über Plattform-Technologie zum Plattform-Unternehmen.  

Einen  anderen  Weg beschreibt das technologieorientierte Vorgehen. Hierbei stehen klar die Technologien und Werkzeuge innerhalb vorhandener Plattform-Produkte  im Vordergrund.  Durch  die  Kompetenzen  zur Beherrschung aktueller IoT-Technologien wird die Grundlage geschaffen mit Datenströmen aus verschiedenen Quellen (Systemen, Sensorik, Steuerungen etc.) operieren zu können, sichere Übertragungswege und eine vertrauenswürdige Speicherung zu gewährleisten. Mit diesen Daten kann dann unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Tools gearbeitet werden, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen, Verhalten zu simulieren oder Analysen zu erstellen, die schlussendlich in Algorithmen automatisiert werden. Produkte wie „Machine Learning“ unterstützen den Aufbau einer künstlichen Intelligenz. Erste Schritte in der Daten-Visualisierung und Analyse können also durch vorkonfigurierte Werkzeuge von Plattformtechnologie-Anbietern ohne große Spezialisierung umgesetzt werden. Hieraus können auch für Kunden Produkte wie Cockpits oder Analysetools entstehen, die zur Generierung von Wissen für den Kunden wie auch für den Hersteller genutzt werden können. Bei dieser Herangehensweise folgen die Ideen den Erkenntnissen aus den Daten, um daraus neue Dienste oder Services zu generieren.

C.Disruption.

D.h. es entstehen Fertigungsplattformen – Unternehmen, die die Regeln für Produktion und Produktentwicklung umschreiben. Das logische Ergebnis bestehender Trends zum Outsourcing und zur fabriklosen Produktion. So nennt sich beispielsweise die in Amsterdam ansässige 3D-Hubs „das weltweit größte Netzwerk von Hubs für die Fertigung“ mit 7365 Fertigungspartnern in 140 Ländern. Xometry aus Maryland bietet an „sofort auf die Produktionskapazität von über 2.500 Herstellern mit weitreichenden Fähigkeiten in 50 Staaten“ zugreifen zu können.

Es gibt Chancen sich ebenfalls auf den Weg zum Plattformunternehmen aufzumachen, aber es besteht auch die Gefahr, dass Internetgiganten und IT-Konzerne bereits bereitstehen, um sich zwischen den Maschinenbau und seine Kunden zu drängen, und so der Maschinenbau letztlich nur noch als verlängerte Werkbank agiert.

Die Branche sollte bei der Plattformökonomie daher auf keinen Fall den Anschluss verpassen.

Herstellern des Maschinen- und Anlagenbaus eröffnen digi­tale Plattformen die Möglichkeit, ihre Kunden deutlich besser kennen- und verstehen zu lernen. So macht die Auswertung von Nutzungsdaten transparent, welche An­forderungen den Alltag des Kunden bestimmen und wie das eigene Angebot entsprechend angepasst werden kann. Darüber hinaus können Anbieter auf der Grundla­ge ihres fundierten Domänenwissens und intimer Kenntnisse der Kunden- und Produktanforderungen neue digitale Services entwickeln, über die Plattform ver­markten und so zusätzliche Erlöse erschließen.

Hierbei sollte über den sich abzeichnenden Trend nach der Forderung eines Predictive Maintenance in Anlagen, bei denen auch Ventilatoren verbaut sind, nachgedacht werden.

Auf den ersten Blick, glaubt der Ventilatorenbauer, dass nicht er, sondern sein Kunde (der Anlagenbauer) ihm den Zugang zum Endkunden (Anlagenbetreiber) verwehren wird, um selbst das Geschäft zu machen. Dies ist falsch. Genauso gut, wie ein Ventilatorenbauer bei einem kompletten Ventilatorsystem (also Ventilator, Motor, Regelung) eine sinnvolle online Überwachung und Auswertung der Daten nicht ohne das Antriebsystem (Motor und Frequenzumrichter) vornehmen kann, kann der Anlagenbauer dies für seine Anlage nicht ohne die wichtigen Komponenten Ventilatorsysteme, Pumpensysteme etc. D.h. er müsste die Daten und den Datenzugriff auf diese Komponenten mit seinen Zulieferanten vertraglich regeln. Wollen diese, wollen die Ventilatorlieferanten also Ihre Daten und den Zugriff darauf einfach kostenfrei zur Verfügung stellen? Wollen sie bei der Forderung nach einem digitalen Produkt-Zwilling auch diesen, wie in der Vergangenheit ein komplettes 3D-CAD-Modell, kostenfrei zur Verfügung stellen? Nein das kann es nicht sein. Die Forderungen nach einem Zugriff auf Daten und einem digitalen Zwilling des Produktes werden kommen, um in der Kette bis zum Betreiber der Anlagen die Möglichkeit eines Predictive Maintenance aufzubauen. Wenn also der Ventilatorenbauer ein Glied in der Kette ist, sollte er sich frühzeitig bereit machen, aus den Forderungen des Marktes ein datengetriebenes Geschäftsmodell zu kreieren und die Kundenschnittstelle nicht aus der Hand geben. So können hiervon alle vom Komponentensystemlieferant über den Anlagenbauer bis hin zum Anlagenbetreiber hieraus ihren Nutzen ziehen.

Notwendige Aktivitäten:

Hat der Vorstand bzw. die Geschäftsführung eines mittelständischen Maschinenbauers die Notwendigkeit zur Digitalen Transformation und die Auswirkungen auf sein derzeitiges Geschäftsmodell noch nicht erkannt, sollte dieser persönlich sich in entsprechenden Seminar-Angeboten anmelden oder aber einen Inhouse Termin mit einem Berater vereinbaren, der in einer entsprechenden Präsentation und anschließenden Diskussion die Notwendigkeit eines Digitalisierungs-Projektes vermittelt.

Wobei ich persönlich zwischen den beiden Themen „Industrie 4.0“ und der „IoT-Plattformökonomie“ klar unterscheiden möchte.

Bei der „Industrie 4.0“ geht es meistens um eine vertikale Strategie, also der innerbetrieblichen Optimierung der Geschäftsprozesse. D.h. in den meisten Fällen um fertigungsnahe Optimierungen.

Bei der „IoT-Plattformökonomie“ hingegen, also der horizontalen Strategie, geht es um eine unternehmensübergreifende Integration mit Lieferanten und Kunden sowie Ausrichtung auf erweiterte und/oder neue Geschäftsmodelle. Diese sehe ich für einen Ventilatorenbauer als vorrangige Zielsetzung.

Ist die Notwendigkeit eines Projektes zur „IoT-Plattformökonomie“ bereits auf der Agenda der Geschäftsführung, sollte für die weitere Vorgehensweise diese ein Team aus der Führungsebene aller Geschäftsbereiche, also von Technik, Produktmanagement, Marketing, Vertrieb, Service, Recht, Finanzen und IT  zusammenstellen. Diese sind für die Ausarbeitung der nachfolgenden Schritte zuständig und unterrichten die Geschäftsführung in vereinbarten Abständen.

 

2. Strategische Ziele festlegen

So heterogen wie die derzeitige IoT-Plattformlandschaft stellt sich auch die Bandbreite möglicher unternehmerischer Zielstellungen innerhalb der Plattformökonomie dar:

Sollen Plattformen vertikal, also zur innerbetrieblichen Optimierung der Geschäfts- und Produktionsprozesse, oder horizontal, d.h. zur unternehmensübergreifenden Integration mit Lieferanten und/oder Kunden und Ausrichtung auf erweiterte und/oder neue Geschäftsmodelle eingesetzt werden?

Oder beides?

Verfolgt das Unternehmen eher direkte Umsatz- und Wachstumsziele etwa über neue Serviceangebote oder konkrete Kostenreduktionsziele etwa im eigenen Fabrikbetrieb oder zunächst qualitative, strategische Ziele wie eine zusätzliche Form der Kundenbindung, ein innovative(re)s Image oder soll eine bestimmte Positionierung im Wettbewerb strategisch besetzt werden?

Soll das Unternehmen in eine eigene Plattforminfrastruktur investieren oder sich der Dienste bestehender Marktführer bedienen?

Klare Aussage meinerseits; Klein- und Mittelständler, wie dies meist bei den Ventilatorenbauern der Fall ist, sollten zwingend von eigengestrickten Lösungen Abstand nehmen, sondern sich der verschiedenen Dienste der Abstraktionsschichten, wie Infrastructure as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS) und zum Teil vorhandener Lösung der Software as a Service (SaaS), etablierter Anbieter von IoT-Plattformen bedienen und die eigenen Produktdaten, Digital Product Twins, sowie servicefreundliche Apps auf der PaaS entwickeln.

Abhängig von den entsprechenden strategischen Leitplanken sowie dem zeitlichen Betrachtungshorizont ergeben sich unter Umständen völlig unterschiedliche Herangehensweisen und Gestaltungsoptionen zwischen Plattformbetrieb, Plattformnutzung oder einer Kombination aus beidem. Daher setzt eine systematische Beschäftigung mit dem Thema Plattform eine Definition der damit verbundenen Ziele sowie die Klärung von möglichen Anknüpfungspunkten und Interdependenzen mit anderen strategischen Aspekten und Aktivitäten im Unternehmen voraus.

Notwendige Aktivitäten:

Das von der Firmenleitung berufene kleine Team der Führungsebene aus Technik, Produktmanagement, Marketing, Vertrieb, Service, Recht, Finanzen und IT diskutiert die strategische Zielsetzung gegebenenfalls unter Einbeziehung eines externen Beraters und formuliert und fixiert diese schriftlich. Letztlich werden die zur Erreichung dieser Ziele relevanten Anwendungsfälle definieren.

 

3. Relevante Anwendungsfälle definieren

Wie bereits ausgeführt, sind es die richtigen Anwendungsfälle, die den eigentlichen Mehrwert für die meisten Unternehmen schaffen. Wir beobachten eine Vielzahl von Applikationsentwicklungen, die ohne erkennbaren Mehrwert für den Kunden und damit auch ohne wirkliches Geschäftspotenzial sind. Die Identifikation der richtigen Anwendungsfälle und der Aufbau von Geschäftsmodellen ist deshalb zentral für den unternehmerischen Erfolg in der IoT-Plattformökonomie.

Welche Anwendungsmöglichkeiten und Applikationen kommen im eigenen Unternehmen oder bei Kunden tatsächlich infrage?

Welche Probleme aus externer oder interner Kundensicht werden damit behoben oder zumindest reduziert, welche Vorteile können realisiert werden?

Welche Voraussetzungen müssen im Unternehmen erfüllt sein, welche Hürden sind zu überwinden?

Nur eine klare Priorisierung auf tatsäch­lich erfolgversprechende Anwendungsfälle ermöglicht ein zielgerichtetes und effizientes Vorgehen. Sollten (zu) viele Anwendungsfälle als attraktiv bewertet wer­den, bietet sich erfahrungsgemäß ein Vorgehen in definierten kleineren Schritten an.

Notwendige Aktivitäten:

Das Team definiert und fixiert schriftlich die zur Erreichung des Aufbaus neuer Geschäftsmodelle notwendigen Anwendungsfälle und legt realistische Steps mit erreichbaren Zwischenzielen fest. Diese werden dann später bei der Umsetzung regelmäßig der Geschäftsführung vorgelegt und der Grad der Zielerreichung bestimmt.

 

4. Realistische Bestandsaufnahme vornehmen

Sind die Ziele eines Engagements mit Plattformen und die dafür zu priorisierenden Anwendungsfälle sowie der zeitliche Betrachtungshorizont geklärt, erfolgt im nächsten Schritt der Realitätsabgleich der definierten Strategie. Dazu sollte möglichst objektiv bewertet und eingeschätzt werden, ob und wie die Umsetzung für das betreffende Unternehmen geleistet werden kann. In diesem Zusammenhang stellen sich u.a. Fragen zum vorhandenen im Vergleich zum erforderlichen finanzi­ellen Budget, zur personellen Ressourcenausstattung sowie zu weiteren relevanten Ausgangsbedingungen auf dem Weg in die Plattformökonomie, der oft auch die Ressourcenkonkurrenz mit anderen Investitions- bzw. Strategieprojekten im Unternehmen zu bestehen hat. Besondere Relevanz kommt hier der sogenannten digitalen Reife zu, also den Erfahrungen und Kompe­tenzen im Umgang mit dem Internet der Dinge. Ein objektiver und auf standardisierten Kriterien beruhen­der Abgleich, etwa auf Basis des IoT-Readiness Checks von Roland Berger, liefert hier rasch erste Transparenz und eine gute Grundlage für einen Aktivitäten- und Meilensteinplan, wie möglicherweise vorhandene Lü­cken zum Start in die Plattformökonomie geschlossen werden können.

Notwendige Aktivitäten:

Realistische Bestandsaufnahme, wie zuvor beschrieben.                                                                  Siehe hierzu auch unter  https://www.industrie40-readiness.de/

Bei einem Readiness-Check zur Industrie 4.0 werden im Wesentlichen 6 Dimensionen untersucht.

Wobei hier von einer allumfassenden Digitalen Transformation ausgegangen wird. Hierbei sollte aber je nach Vorhaben wieder zwischen den Erfordernissen nach einer (1)Industrie 4.0- oder aber einer (2)IoT-Plattformökonomie-Strategie unterschieden werden. Beides gleichzeitig voran zu treiben könnte eine Überforderung darstellen.

  1. Strategie und Organisation (1) und (2)                                                                                       Strategie und Unternehmenskultur für Start von Industrie 4.0 ist entscheidend.
  2. Smart Factory (1)                                                                                                                                    In vernetzter Fabrik wird dezentrale und hochautomatisierte Produktion möglich.
  3. Smart Operations (1)                                                                                                                        Intelligente Werkstücke steuern den Fertigungsprozess.
  4. Smart Products (1) und (2)                                                                                                              Physische Produkte werden mit IKT-Komponenten ausgestattet. (z.B. Sensoren, RFID, Kommunikationsschnittstelle)
  5. Data-driven Services (2)                                                                                                                  Datenbasierte Dienstleitungen werden in Geschäftsmodelle eingebunden.
  6. Mitarbeiter                                                                                                                                        Erfolgreiches Umsetzen von (1)Industrie 4.0 und (2)IoT-Plattformökonomie setzt qualifiziertes Personal voraus.

 

 

(1)

 

 

(2)

 

                               Bild Quelle  https://www.industrie40-readiness.de/

 

5. Unternehmensumfeld beobachten

Ebenso große Bedeutung wie die Innenperspektive hat die Außenbetrachtung, also die Analyse der Bedingun­gen und Aktivitäten im Unternehmensumfeld. Zu be­rücksichtigen sind Aspekte wie:

Welche Plattformen kommen für die angestrebte Positionierung und die ge­planten Aktivitäten des Unternehmens infrage?

Worin unterscheiden sie sich – und welche individuellen Stär­ken, aber auch Schwächen weisen sie im Wettbewerbs­vergleich auf?

Wie reagieren aktuelle und potenzielle Kunden bzw. Nutzer der Plattformen – und wie verhält sich die Konkurrenz?

Genauso entscheidend sind tech­nische Detailfragen, etwa zur Plattformdurchgängigkeit bzw. Portabilität, oder juristische Fragestellungen, etwa zum nationalen und internationalen Rechtsrahmen in puncto Datenbesitz sowie Datenhoheit. Diese und wei­tere Fragestellungen erfordern nicht nur eine hohe Transparenz bzgl. des aktuellen Sachstands, sondern auch eine kontinuierliche Betrachtung der dynami­schen Weiterentwicklung der relevanten Sachverhalte. Darüber hinaus lassen sich aus der Kenntnis des Unter­nehmensumfelds im Regelfall wichtige Erkenntnisse zum erfolgreichen Timing des eigenen Handelns ablei­ten, sei es in Bezug auf den Zeitraum für die Entwick­lung eigener Angebote oder in Bezug auf den tatsächli­chen Markteintritt mit verschiedenen Angebotsbestandteilen. Wichtig sind außerdem die Beobachtung derzeitiger und potenzieller zukünftiger Technologien und die Einschätzung von deren jeweiliger Relevanz so­wie Marktreife je priorisierten Anwendungsfall.

 Notwendige Aktivitäten:                                                                                                                     Zur Bestimmung der Wahl einer für die Zielsetzung geeigneten Plattform wird eine Kriterien-Liste aufgestellt, die der Plattformanbieter erfüllen sollte. Hierzu können eigene Recherchen oder aber die Inanspruchnahme von Beratern bzw. Einzel-Gespräche mit entsprechenden Anbietern zum Ziel führen.

 

6. Optionen und Szenarien entwickeln

Die in den vorangegangenen Schritten erarbeiteten Ziele, priorisierten Anwendungsfälle sowie die unter­nehmensinterne und -externe Transparenz bilden schließlich die Grundlage zur Erarbeitung konkreter Optionen zur Positionierung des Unternehmens in der Plattformökonomie.

Dies betrifft zunächst die Frage, welche Ebene(n) im IoT-Ökosystem im Zuge der ange­strebten Positionierung in der Plattformökonomie ab­gedeckt werden soll(en); hier kommen auch die bereits diskutierten Optionen als möglicher Orchestrator oder als Teilnehmer einer Plattform ins Spiel.

Darüber hin­aus gilt es, den zu generierenden Kundennutzen weiter zu spezifizieren und konkretisieren. Dies leitet über zu einer im Regelfall erforderlichen Überprüfung und An­passung des Geschäftsmodells, also Aspekten wie Kern- und Zusatzleistungen, Wertschöpfungsaktivitä­ten und möglicher eigener Wertschöpfungstiefe sowie Fragen des Erlösmodells wie Erlösformen und Preis­strategie.

Die Voraussetzung dafür besteht einerseits in einer Neujustierung der zukünftig abzudeckenden Kernkompetenzen, andererseits aber auch in einem Verständnis für bestehende oder zukünftig mögliche Wertschöpfungsnetzwerke mit externen Partnern.

Wichtig ist, dass die jeweils gewählte Positionierung im Umgang mit Plattformen zum eigenen Unterneh­men passt, also mit dem traditionellen Leistungsspek­trum, den Kompetenzen, aber auch den Vertriebskanä­len komplementär oder zumindest kompatibel ist.

Letztlich kommt es aber auch auf ein Denken in Szena­rien an, da die Weiterentwicklung von Technologien, Kundenbedürfnissen und Wettbewerbsaktivitäten nicht exakt prognostizierbar sein dürfte.

Notwendige Aktivitäten:

Die Realisierungsmöglichkeit der definierten Zielsetzung und der hierzu relevanten Anwendungs-fälle muss mit der bis hierher vorhandenen bzw. erreichten Kernkompetenz abgeglichen werden. Die Ausformulierung der neuen Geschäftsmodelle sowie des Erlösmodells muss mit den hierzu erforderlichen Dienstleistungen des Zulieferers und des Kunden zu einem wirtschaftlich sinnvollen Gesamtkonzept für den Endbetreiber vorgenommen werden und in den Vertriebskanälen verankert werden.

 

7. Kundenschnittstelle nicht aus der Hand geben

Einen der wichtigsten Aspekte im Zusammenhang mit den beschriebenen Optionen und Szenarien stellen die Themen Kundenzugang und Kundenschnittstelle dar.

An diesem Punkt kulminieren erfahrungsgemäß viele Bedenken gegenüber Plattformen, da häufig ein Ein­dringen branchenfremder Akteure an die Schnittstelle zwischen Anbietern des Maschinen- und Anlagenbaus und den Fabrikbetreibern als ihren Kunden als Drohszenario beschrieben wird.

Fakt ist: Unabhängig von der individuell gewählten Strategie sollte die Kunden­schnittstelle nicht aus der Hand gegeben werden.

Da­durch, dass kundenspezifische Applikationen in Eigen­regie oder zumindest kontrolliert durch Partner bzw. vertraglich eng angebundene Dienstleister erstellt wer­den, wird sichergestellt, dass der Kundenzugang mit direktem Feedback und einer Kommunikation von Wünschen oder Problemen aus erster Hand gewähr­leistet bleibt.

Prinzipiell zeigt sich der Maschinen- und Anlagenbau durch sein umfassendes Domänenwissen, aber auch durch sein tiefes Kundenverständnis gut ge­rüstet für die weitere Kontrolle der Kundenschnittstel­le – er muss den Raum allerdings auch mit entspre­chenden Angeboten an Applikationen und Services zum Nutzen des Kunden füllen; andernfalls wird sich früher oder später ein brancheninterner oder sogar -ex­terner Anbieter finden, der versuchen wird, die spezifi­schen ihm fehlenden Kompetenzen an der Kunden­schnittstelle aufzubauen bzw. zuzukaufen.

Notwendige Aktivitäten:

Bei der in näherer Auswahl gefassten Plattform, muss einerseits sichergestellt sein, dass auf alle notwendigen Daten, Digital-Twins etc. der Zulieferteile zugegriffen werden kann und diese dann über einen nur für den eigenen Kundenkreis zugänglichen und auftragsbezogen, abgesicherten Bereich im Zusammenhang mit den eigenen Produktdaten und Digital-Twins des Complete Fan System (CFS) zur Verfügung gestellt werden kann. Nur so kann dieser (z.B. ein Kunde als Anlagenbauer) dann im Gesamtkonzept und auf Grundlage eines z.B. Predictive Maintenance Vertrages dem Endkunden (Betreiber) angeboten werden. Diese zulässigen, auftragsbezogenen und zugriffsberechtigte zur Verfügungstellung der Daten und die eigens hierzu entwickelten Apps bilden die Grundlage neuer datengetriebener Geschäftsmodelle.

Entsprechende Sicherheitsmaßnahmen empfiehlt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Doch auch die Anforderungen an die Sicherheit nützen dem BSI zufolge wenig, wenn sich der Anbieter im Betrieb nicht an Sicherheitsvorgaben und -vorschriften hält.

Zur Überprüfung und Eignung sollten Unternehmen laut BSI folgende Kriterien berücksichtigen:

–   Reputation (überprüfbare Referenzen).

–   Rankings oder Bewertungsmatrizen von (möglichst unabhängigen) Organisationen.

–   Ist Cloud Computing das Kerngeschäft des Anbieters? Falls nicht, könnte es sein, dass

    der Cloud-Dienst rasch eingestellt oder von einem anderen Anbieter übernommen wird.

–   Welche Zugriffe durch den Dienste Anbieter oder Dritte werden erlaubt oder sind möglich?

–   An welchen Standorten werden die Informationen verarbeitet und gespeichert?

–   Welches geltende Recht liegt einem Vertrag zugrunde, welchen rechtlichen

    Rahmenbedingungen unterliegt der Anbieter?

–   Angabe der Subunternehmen zur Service-Erbringung um Abhängigkeiten des Cloud-

    Anbieters beurteilen zu können.

 

8. Passende Kooperationspartner auswählen

Es ist bereits mehrfach angeklungen: Ein Unterneh­men des Maschinen- und Anlagenbaus, zumal ein mit­telständisches, muss und sollte nicht sämtliche erfor­derlichen Aktivitäten und Kompetenzen für seine angestrebte Positionierung im IoT-Ökosystem in Ei­genregie aufbauen und durchführen; dies dürfte aus Zeit-, Kompetenz- und Ressourcengründen meist oh­nehin nicht darstellbar sein.

Umso wichtiger ist daher neben der Festlegung der eigenen Rolle und Wert­schöpfungstiefe auf Basis einer realistischen Einschät­zung der individuellen Ausgangssituation die Suche und Auswahl infrage kommender Partner, mit denen das IoT-Ökosystem gemeinsam gestaltet werden kann.

Neben fachlichen Fragen und Aspekten wie der Rolle als Orchestrator oder als Zulieferer bzw. Teilnehmer im Ökosystem kommt es hier auf ein Mindestmaß an kul­turellem und persönlichem „Fit“ zwischen den poten­ziellen Partnern an. Dazu zählen u.a. Aspekte wie glei­che oder ähnliche Ziele und Visionen bzgl. eines Engagements in der Plattformökonomie, die Kompati­bilität von Grundprinzipien und Abläufen der Unter­nehmen sowie nicht zuletzt die Erarbeitung einer win-win-Strategie für alle Beteiligten.