Die digitale Herausforderung, speziell für mittelständische Firmen im Maschinen- und Anlagenbau.

Die Digitalisierung, das Internet der Dinge (IoT) und alles rund um das Thema Industrie 4.0 eröffnet neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle aber auch gleichzeitig enorme Herausforderungen speziell für mittelständische Firmen im Maschinen- und Anlagenbau.

Themen wie Product- and Document Lifecycle Management (PDM/PLM), Digital Twins (Digitale Zwillinge), Künstliche Intelligenz (KI), Edge und Cloud Computing, Industriel Internet of Things (IIoT), Predictive Maintenance, um nur einige Themen zu nennen, werden einen großen Teil der Geschäftsgrundlagen verändern.

Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, braucht es integrierte Informationssysteme, die einen durchgängigen Austausch von Informationen für die Planung, Entwicklung, Konstruktion und Produktion über die  Auftragsabwicklung bis hinunter in die Maschinenebene zulassen.

Bei dem Thema Effizienz bietet die virtuelle Darstellung von Maschinen oder Anlagen als Abbild auf einer digitalen Plattform den Unternehmen über den gesamten Lebenszyklus viele Vorteile. Voraussetzung dabei ist, dass der digitale Zwilling und die reale Maschine bzw. Anlage dauerhaft miteinander verbunden ist. So fließen Betriebsdaten aus dem realen Einsatz der Maschinen und Anlagen in die Beurteilung und Weiterentwicklung der Produkte ein. D.h. die Daten aus dem jeweils führenden System müssen also dem Product Lifecycle Management (PLM) für die Produktentwicklung, der digitalen Fabrik für die Produktionsplanung, dem ERP-System für die unternehmerischen Belange bis hin zu den Informationen aus dem Feld, also wenn das Produkt beim Kunden im Einsatz ist. Realer und digitaler Zwilling tauschen mittels IIoT Daten aus, die Sensoren permanent erfassen. So können Unternehmen aus Schwächen ihrer Produkte im realen Einsatz Erkenntnisse gewinnen und diese bereits in die Entwicklungsphase einfließen lassen.

Zurück zum Mittelstand.

Am Beispiel eines fiktiven mittelständischen Maschinebau-Unternehmen für Prozess-Ventilatoren möchte ich die Schwierigkeiten, die sich bei der Umsetzung vorgenannter Szenarien auftun, und die nur zu einem Bruchteil einen technischen Hintergrund aufweisen, kurz erläutern.

Der leider immer noch vorwiegende Ist-Zustand läuft wie folgt ab.

Soll eine neue Anlage in der u.a. Prozess-Ventilatoren zum Einsatz kommen gebaut werden, erteilt der zukünftige Betreiber einen Planungsauftrag an einen Anlagenplaner. Dieser erstellt die Anlagenplanung und erstellt Spezifikationen zur Ausschreibung der Anlage. Da hier das Rad nicht neu erfunden wird, werden viele Bausteine der Spezifikationen aus dem Fundus genommen. Was aber auch gleichzeitig bedeutet nicht mehr den neuesten Erkenntnissen zu entsprechen. Die in der Ausschreibung berücksichtigten Anlagenbauer halten sich in ihren Offerten an den Ausschreibungstext und den hier aufgeführten Spezifikationen. Ist der Auftrag dann an einen Anlagenbauer vergeben, wird dieser dann in einzelne Lose aufgeteilt und die Komponenten an Zulieferer, wie z.B. dem Prozess-Ventilatoren Lieferanten vergeben. Die vom Anlagenplaner vorgegebenen Spezifikationen werden als Auftragsbestandsgrundlage weitergereicht.

Was bedeutet das z.B. für das Ventilator-System des Prozess-Ventilators?  Kurz in Erinnerung zu rufen. Ein Ventilator-System besteht aus dem eigentlichen Ventilator, dem Antrieb und der Regelung. Zusätzlich meist und sinnvollerweise noch aus den Schalldämmmaßnahmen.

Vorausgesetzt ein Ventilator-Lieferant hätte bereits die qualitativen, personellen, technischen und kommerziellen Voraussetzungen und die Digitalisierung seiner Geschäftsgrundlage im eingangs erwähnten Sinne umgesetzt, müssten folgende Kundenauftragsvoraussetzungen erfüllt sein.

  1. Der Kundenauftrag sieht die Lieferung eines kompletten Ventilator-Systems  inklusive aller erforderlichen intelligenten Sensoren und den SaaS-Diensten zu deren Auswertung vor.

Nur so kann ein digitaler Zwilling eine Voraussetzung für eine IIoT-Anbindung etc. geschaffen werden.

In der Realität werden häufig Komponenten wie Antriebsmotor, Regelung etc. vom Anlagenbauer separat eingekauft und beigestellt. Liefert dann der Ventilator-Lieferant (als Komponenten-Lieferant) dem Anlagenbauer auch nur für seinen Part die Daten und erstellt der Anlagenbauer dann den digitalen Zwilling?

  1. Die Auftrags-Spezifikationen lassen dem Lieferanten die freie Wahl der erforderlichen Komponenten zur Umsetzung eines derart digitalen Systems zu. D.h. die von ihm vertraglich in sein Gesamtkonzept eingebundenen Lieferanten von z.B. Antriebsmotoren, Frequenzumrichter aber auch Smart-Sensoren inkl. der SaaS Dienste und der entsprechenden vertraglichen Einigung zur Multi-Cloud-Nutzung werden nicht durch Spezifikationsvorgaben ausgehebelt.

In der Realität werden häufig aus der Historie heraus (Spezifikationen aus der Schublade) Komponenten, Überwachungseinrichtungen etc. vorgeschrieben, die nicht in ein derartiges digitales Konzept passen.

Was heißt dies für die Praxis. Komponenten-Lieferanten z.B. für Motor und Frequenzumrichter bieten bereits PLM-Software Lösungen an und stellen auf den von Ihnen ausgewählten Cloud-Plattformen Digitale Zwillinge Ihrer Produkte zur Verfügung. Hier verlangt keiner die Produkte der Schnittstellengeometrie anzupassen. Der Ventilator-Lieferant muss aber bei vielen einzelnen Komponenten sein Produkt an die gewählten Komponenten anpassen (Beispiel Motor-, Lagerkonsole, Kupplungsbohrung für die Antriebsseite etc.). Würde er also dem Anlagenbauer genauso auf einer Cloud-Plattform für den nackten Ventilator den digitalen Zwilling zur Verfügung stellen wollen, ist dies so ohne weiteres nicht möglich.

Fazit:

Bevor mittelständische Maschinenbauer, wie an dem Beispiel Ventilatorenbauer aufgezeigt, sich mit der Umsetzung der Digitalisierung ihrer Geschäftsgrundlage befassen, sollten sie erst einmal den Weg zum System-Lieferanten beschreiten. Denn nur in sich abgeschlossene Maschinen- bzw. Anlagensysteme schöpfen den Vorteil  aus der Digitalisierung und eröffnen ganz neue Geschäftsmodelle wie z.B. einem IoT-basiertem Predictive Maintenance des Complete Fan Systems (CFS).

IoT-basierte (PdM) Predictive Maintenance für das (CFS) Complete Fan System

Ventilatoren-Lieferanten als Systemanbieter sollten den Mehrwert einer IoT-basierten (PdM) Predictive Maintenance nutzen. Immer mehr Anbieter versuchen im Zusammenhang mit dem IIoT industriellem IoT Maschinen intelligenter zu machen, um beispielsweise durch Machine-Learning-Analyse die Anlagenzuverlässigkeit und vorausschauende Wartung durch intelligente Sensoren an den Maschinen und Cloud-Software Lösungen den Kunden in die Lage zu versetzen, den Zustand seines Maschinenparks in Echtzeit zu überwachen, zu bewerten und kritische Situationen vorherzusagen.

Beispiele wie Lösungen des als industrielle IoT-Startup gegründeten Unternehmens Petasense siehe,

https://petasense.com/products/motes/

aber auch der von SKF angebotenen Enlight Quick Collect siehe,

http://www.skf.com/de/products/condition-monitoring/basic-condition-monitoring-products/vibration-measurement-tools/quickcollect-sensor/index.html

für Schwinggeschwindigkeits-, Hüllkurvenbeschleunigungs- und Temperaturmessungen mit der Option zum Remote Diagnistic Service, bieten sich für die Lagerüberwachung an.

Aber auch das Smart Motor Concept von Siemens siehe,

https://www.siemens.com/global/de/home/produkte/antriebstechnik/digital-drive-systems/smart-motor-concept.html

bzw.  die von ABB angebotenen Smart Sensoren siehe,

http://new.abb.com/motors-generators/service/advanced-services/smart-sensor

bieten Teillösungen zur Zustandsfernüberwachung von Motoren.

Für einen Ventilatoren-System-Lieferant bietet es sich also an, aus den vielen Teillösungen und den Möglichkeiten die bereits verfügbare Remote Support mit Augmented Automation Anwendungen, wie z.B.  Lösungen der Firma Alexander Bürkle dem Service bieten  siehe,

https://www.alexander-buerkle.de/augmented-automation ,

ein einheitliches webbasierendes Portal zu erschaffen, das all die für den störungsfreien Betrieb eines Ventilatorsystems notwendigen Einzellösungen zu einem stimmigen Gesamtkonzept konzipiert und so seinen Kunden nicht nur bereits die entsprechenden intelligenten Sensoren für die Lagerung, die Motoren etc, sondern auch für die Frequenzumrichter entsprechende Tools für den Online-Zugriff auf die Antriebsinformationen, Behebungen von Störungen etc. wie z.B. mit dem Drivebase von ABB mit anbietet.

All dies würde den Prozeß-Ventilator IIoT-fähig machen und dem Anbieter eine erweiterte Service-Leistung bieten mit einer win-win-Situation für Anbieter und Betreiber.