Schritt 5 – Von der MindSphere Applikation „Analyze MyDrives“ zur App „Analyze My Complete Fan Systems“.

Bildquelle: siemens.com/Herr Leipold

Interview zur MindSphere Applikation „Analyze MyDrives“

Das Interview wurde geführt zwischen

Herrn Michael Leipold                                                                                                         Herrn Horst Benderoth                                                                                    Siemens AG                                                                                                                           HBC Horst Benderoth Consulting
Digital Industries                                                                                                                  D-51580 Reichshof-Wiehl
Motion Control
General Motion Control
DI MC GMC
D-90439 Nürnberg

Herr Benderoth                                                                                                                                                                      Sehr geehrter Herr Leipold, ich übe beratende Begleitung bei Digitalisierungs-Projekten auf dem Weg zur Plattformökonomie sowohl durch Berichte auf meinem Blog als auch auf Wunsch direkt bei Klein- und Mittelständlern aus dem Bereich des Ventilatorenbaus aus. Im Zuge der, in meinem ersten Bericht, aufgezeigten 8 Schritte wird deutlich, dass die Digitalisierung auch in Traditionsbranchen, wie dem Maschinenbau Veränderungen, die zu ganz neuen Geschäftsmodellen führen, hervorruft. Gute Geschäfte macht in Zukunft nur, wer dem Kunden einen echten Mehrwert bieten kann. Der Ventilatorenbau ist servicesorientiert und sollte das Spezialwissen, welches er über Jahre hinweg aufgebaut hat nutzen, um sein Serviceangebot durch das Potenzial, dass die IoT-Techniken, Data Analytics etc. bieten, in Richtung Predictive Maintenance seiner Ventilatorsysteme zu entwickeln. Erste Schritte in der Daten-Visualisierung und Analyse können z.B. für den Antriebsstrang (Motor und Frequenzumrichter) durch vorkonfigurierte Werkzeuge von Plattformtechnologie-Anbietern genutzt werden. Womit wir beim Thema wären.

Herr Benderoth                                                                                                                                                       Wenn ich z.B. auf der Siemens homepage nach Produkten zur Erfassung, Überwachung und Analyse von Schwinggrößen einer Maschine suche, stoße ich auf das Condition Monitoring System SIPLUS CMS1200 SM 1281. Sehe ich mir dies näher an, ist hier von der Überwachung durch analoge Sensortechnik für die Schwingungsaufnehmer und einem digitalen Eingang für die Drehzahlerfassung die Rede. Dies ist aber doch meiner Meinung nach die klassische Anbindung und Installation um die Ergebnisse vor Ort entweder auf einem Panel bzw. im Leitrechner einer Anlage zu betrachten. Andererseits, wenn ich an eine IoT-Anbindung, Daten in der MindSphere etc. denke, ist von MindConnect und MindSphere Applikationen die Rede. Können Sie mir die beiden Begriffe oder Produktfamilien erläutern?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Sie sprechen hier verschiedene sehr wichtige Aspekte an: Einerseits sollte es tatsächlich zu allererst immer darum gehen, Wissen über den Antriebsstrang zu ermitteln, um damit eine valide Basis für Optimierungen zu haben. Die richtigen Antworten auf die Fragen des Anlagenbetreibers zu finden, ist der wahre Mehrwert, der auch neuen serviceorientierten Geschäftsmodellen zugrunde liegt.

Nun ist die entscheidende Frage, in welcher Genauigkeit und Latenz sollen Daten erfasst werden und sollen diese Informationen nur innerhalb einer oder von vielen verteilten Anlagen zur Verfügung stehen.

Je höher die Abtastraten, je mehr verschiedene Messgrößen, aus dedizierten Sensoren durch komplexe Algorithmen in einer Anlage sehr schnell zur Verfügung stehen müssen, desto eher sprechen wir über das typische Einsatzgebiet eines Condition Monitoring Systems wie dem genannten SIPLUS CMS.

Wenn jedoch ohnehin vorhandene Daten und Informationen nicht nur aus einer Maschine, sondern aus vielen Maschinen in weltweit verteilten Anlagen und Fabriken zu einem Gesamtbild zusammengeführt, analysiert und miteinander verglichen werden sollen, um daraus Optimierungsbedarfe abzuleiten, dann bieten sich cloudbasierte Lösungen geradezu an.

Die von Ihnen genannten Produktgruppen unterstützen unsere Zielgruppen – Maschinen- und Anlagenbauer sowie die Betreiber – ihre jeweiligen Ziele zu erreichen: mögliche Anomalien im Betrieb frühzeitig zu erkennen und darzustellen. Mit MindConnect steht ein standardisiertes Portfolio zur Verfügung Daten und Betriebszustände aus SIEMENS Antriebs- und Automatisierungsprodukten auszulesen und in die MindSphere – das offene IoT Betriebssystem – zu laden.

Dort können die Daten dann mithilfe der MindSphere Applikationen analysiert und visualisiert werden: Analyze MyDrives ist unsere Monitoring-App zur Überwachung des Antriebsstrangs.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Zusätzliche Sensoren sind also verzichtbar?  Nun gibt es aber Anlagenbetreiber (Endkunden) die immer noch in Ihren Spezifikationen analoge Sensoren für z.B. die Aufnahme der Lagerschwingungen, Lagertemperaturen, Drehzahl etc. vorsehen.

Herr Leipold                                                                                                                                                        Unser Ansatz versucht so viele der ohnehin vorhandenen transienten Daten aus dem Umrichtersystem zu verwenden wie möglich. So lassen sich aus Stromwerten in bestimmten Anwendungsfällen sogar Rückschlüsse auf Vibrationen im Antriebsstrang ableiten. Wir wollen Anlagenbetreiber und Systemintegratoren in die Lage versetzen, auch in Bestandsanlagen „minimalinvasiv“ an diese Daten zu kommen, ohne Änderungen bei Hardware und Software vornehmen zu müssen, die dann unter Umständen aufwändige Neuzertifizierungen der Maschinen erforderlich machen.

Sollte die Verwendung externer Sensoren sich aber nicht vermeiden lassen, um etwa die Temperatur des Getriebeöls aufzunehmen, so können unsere Kunden stets auf unser umfassendes Portfolio vertrauen, das solche Sensoren umfasst und deren nahtlose Einbindung in das Gesamtsystem ermöglicht, womit diese Informationen wiederum an die MindSphere übertragen werden wo sie dann für Analyse und Visualisierung zur Verfügung stehen.

Herr Benderoth                                                                                                                                                        Bleiben wir einmal bei dem Thema Datensammlung und –aufbereitung, also der digitalen Überwachung des kompletten Antriebsstrangs.  Wie kommen die Nutzer denn nun an die Daten aus dem Umrichtersystem, für die sie sich interessieren?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Bei drehzahlveränderlichen Antrieben verfügen Umrichter über viele hochauflösende Daten und Informationen die für die Bewegungssteuerung nötig sind. Hier setzen wir an und ermöglichen den Zugriff auf nahezu alle relevanten Antriebsparameter. Unser IoT Gateway SINAMICS CONNECT 300 bindet SIEMENS Umrichter der V und G Familie schnell und einfach an die MindSphere an. Dabei schlägt es die wichtigsten Informationen vor (Strom, Drehmoment, Geschwindigkeit u.ä.) oder überlässt dem Nutzer die freie Konfiguration der zu sammelnden Werte.

Sind die Daten in der MindSphere gespeichert, stehen sie zur Auswertung mit beliebigen Applikationen zur Verfügung. Dabei kann der Nutzer aus einer Vielzahl von Programmen wählen, die von SIEMENS oder unseren Partnern zur Verfügung gestellt werden.

Herr Benderoth                                                                                                                                            Lassen Sie mich hier noch einmal hinsichtlich möglicher Geschäftsmodelle nachhaken. Wenn ich als Anlagenbauer den Antriebsstrang ausgestattet habe, muss ich dann dem Betreiber noch weitere Module liefern? Wie skalierbar ist die beschriebene Lösung? Lassen Sie mich das anhand des Beispiels einer Biomasse-Verbrennungsanlage mit 2 Linien verdeutlichen: je Linie 1 Primärluft-, 1 Sekundärluftgebläse, 1 Rauchgasrezirkulationsgebläse und einen Saugzugventilator. Also je Verbrennungslinie 4 in Summe 8 Ventilatoren. Wie lassen sich diese Antriebskomponenten der verschiedenen Linien und möglicherweise verschiedener Anlagen zusammenfassen?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Die MindConnect Produkte sind Bestandteil unseres Totally Integrated Automation Lösungsportfolios, dadurch sind durchgängige Kommunikation und Skalierbarkeit sichergestellt. Egal welche Antriebsstrangkomponenten sie einbinden wollen, von der Schalttechnik, Energieabzweigen über Umrichter und Steuerungen: lassen sich über MindConnect an die Cloud anbinden, egal wie viele Antriebe sie auswerten wollen.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Wenn wir so also die reinen Hardware-Lieferungsvoraussetzungen erfüllt haben und einmal voraussetzen, dass sich der Ventilatorenbauer für die IoT-Plattform MindSphere entschieden hat, und er gemäß meinem Blog-Bericht „Schritt 4 – Vorgehensweise für den Einstieg auf der IoT-Plattform MindSphere“ für die Zugänge IoT Value Plan, IoT Developer Plan und IoT Operater Plan gesorgt hat, kommt er wie an Ihre MindSphere App „Analyze MyDrives“ und welche Kosten sind hiermit verbunden?

Herr Leipold 
Die Anbindung der Antriebsstrangkomponenten erfolgt über das MindConnect Portfolio, das sich wiederum nach den Erfordernissen des Anwendungsfalls richtet. Somit ist eine skalierbare Lösung möglich vom Funktionsbaustein in der SIMATIC Steuerung bis zum performanten IoT Gateway MindConnect nano oder auch SINAMICS CONNECT 300. Letzteres ist für weniger als 500 Euro erhältlich und bindet bis zu 8 SINAMICS Antriebe gleichzeitig an.

Für den MindSphere Zugang fallen jährliche Kosten an, die sich wiederum nach den jeweils zugrundeliegenden Mengengerüsten richten. Ab nur 4000 Euro jährlich können Sie so Daten in der MindSphere speichern und auswerten.

Wenn der Anwender dann auf Applikationen zur Auswertung seiner Daten zugreifen will, fallen ebenso jährliche Lizenzgebühren an. Eine Lizenz Analyze MyDrives schlägt mit 580 Euro jährlich zu Buche.

Wenn man bedenkt, dass sie bereits mit der Vermeidung von rund 4,5 Manntagen Serviceeinsätzen diese Kosten kompensiert haben, ganz abgesehen von der monetären Wirkungen möglicher Optimierungen, ist das ein einfacher und schneller ROI.

Herr Benderoth                                                                                                                                          Welchen Leistungsumfang sieht diese App vor?

Herr Leipold                                                                                                                                                        Analyze MyDrives trägt den TIA-Gedanken in die MindSphere! Mit Analyze MyDrives visualisieren und überwachen Sie alle Daten am gesamten Antriebsstrang, egal wie Sie die Daten in Ihren Tenant laden. Umrichter, Motoren, Steuerungen, Sensoren oder Schaltgeräte, die mitttels des umfangreichen Standard MindConnect Portfolios an die MindSphere angebunden sind, alle wird Analyze MyDrives für Sie überwachen und auswerten.

  • Benachrichtigungsfunktion weiter verbessert: Einfacher IFTTT Regelautomat
  • Frei konfigurierbare Trendanalyse: lineare und polynominale Trendfunktion bis 5. Ordnung, mit Korrelationsmaß. Verfügbar für Zeitreihen- und Punktwolkendiagramme, die noch aussagekräftigere bi-variate grafische Korrelationsanalysen erlauben.
  • Dashboard zur direkten Darstellung aller Antriebsstrangkomponenten und deren Statusinformationen auf einen Blick. Umfassende Integration der SINAMICS G und S Familien und deren Betriebszuständen.

Beispieldiagramm Analyze MyDrives: Zeitreihendiagramm Überwachung der Ventilatordrehzahl mit Schwellwerten und linearer Trendfunktion (Datenübertragung mittels SINAMICS CONNECT 300)

Beispieldiagramm Analyze MyDrives: Punktewolkendiagramm mit frei wählbaren Variablen (hier Ventilatordrehzahl und Temperatur), mit polynominaler Trendfunktion und Korrelationseffizienten sowie Schwellenwertüberwachung.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Wenn ich einen eigenen, geschützten  Bereich in der MindSphere habe und Ihre App „Analyze MyDrives“ a) um die Daten z.B. der Lagerüberwachung des Ventilators, aber auch der Informationen aus meinem ERP-System, wie z.B. welcher Kunde, welche Anlage, welche Maschinen-Nr., welche Auftrags-Nr. etc…. erweitern möchte, also wenn Sie so wollen aus der App „Analyze MyDrives“ eine App „Analyze My Complete Fan Systems“ erstellen will um diese dann b) in dem MindSphere App-Store meinen Kunden zur Verfügung zu stellen, stellt sich die Frage – ist dies möglich? Wenn ja, was ist hierzu mit welchem Kostenaufwand notwendig?

Herr Leipold                                                                                                                                                            Analyze MyDrives ist eine generalistische Applikation, die in vielen verschiedenen Industrieapplikationen zum Einsatz kommen kann, gerade weil sie so einfach zu konfigurieren ist, können verschiedenste Anwendungsfälle adressiert werden. Uns ist natürlich bewusst, dass bestimmte Fragestellungen viel besser durch spezielle Fach-Applikationen gelöst werden können. Hier kommt das Konzept der MindSphere als offener IoT Plattform voll zum Tragen, wenn Dritte eigene MindSphere Applikationen entwickeln umso ihre jeweilige Expertise verfügbar zu machen.

Ein schönes Beispiel dafür kommt aus Italien, dort hat ein Systemintegrator die Firma SOFTEAM für einen großen Anlagenbetreiber aus der Lebensmittelindustrie die Applikation PumpAnalyzer entwickelt (die namentliche Nähe zu unserer App ist reiner Zufall). Die nötigen Daten aus den vorhandenen SINAMICS Antrieben werden durch SINAMICS CONNECT 300 zur Verfügung gestellt.

Die offene und einfache Bereitstellung der nötigen Daten in der MindSphere hat dieses Vorgehen nicht nur unterstützt, sondern darüber hinaus das Geschäftsmodell des Systemintegrators SOFTEAM überhaupt erst ermöglicht.

Somit stehen jedem Ventilatorenbauer die gleichen Möglichkeiten offen, eigene digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und in den Markt zu bringen … nur der Produktname „Analyze My Complete Fan Systems“ erscheint mir ein wenig zu sperrig.

Herr Benderoth                                                                                                                                                         Nun, das soll auch sicherlich keine App-Bezeichnung sein, sondern lediglich aufzeigen, worum es geht. Ob eine derartige App dann „Analyze My CFS“ oder „Fan Analyzer“ etc. tituliert wird, ist dem jeweiligen Ventilatorenbauer, der eine derartige App dann umsetzt, überlassen.

Herr Leipold ich bedanke mich für das sehr aufschlussreiche Interview, möchte aber gerne noch darauf hinweisen, dass Sie Ihr Produkt auf der SPS 2019 präsentieren, und hier sicherlich allen Interessenten für weitere Fragen zur Verfügung stehen.